Jahrbücher
Oldenburger Münsterland

 

Kommentar von: Andreas Kathe Interne Nr.: 9645-04

 

 
Der große Durst
 
  Kaffee, Tee und Bier - Alltagsgetränke, über die wir heute nur wenige Worte verlieren. Und jeder glaubt, es sei niemals anders gewesen. Hat es sie nicht immer schon gegeben: die Kaffeekränzchen, Teestuben, Gastwirtschaften mit dem Zapfhahn auf der Theke? Mit diesem "Vor"-Urteil räumt das Buch "Der große Durst" von Hermann Kaiser gehörig auf.  
  Am Anfang aller Trinkkultur steht das Wasser. Und damit beginnen auch schon die Probleme unserer Vorfahren. Nicht nur; daß das früher aus relativ flachen Brunnen geförderte Grundwasser unserer Region von geringer Qualität war, es wurde durch einige zusätzliche Umstände weiter verschlechtert: Die Brunneneinfassungen waren in vielen Fällen nur notdürftig, in manchen garnicht vorhanden; Abdeckungen ,gab es nur selten. Ja, sogar Brunnen in unmittelbarer Nähe von Misthaufen sind vorzufinden. Manche Zeitgenossen erkannten selbst, daß schlechtes Wasser Auslöser von Krankheiten sein konnte.  
  Kein Wunder also, daß unsere Vorfahren Ersatz suchten. Neben der überall auf dem Lande vorhandenen Milch war das in früheren Jahrhunderten vor allem Bier. Es wurde von manchen Gelehrten des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit als Nahrungs- und Arzneimittel (Droge) sogar sehr gelobt. Bier ist aber nicht gleich Bier: Was wir heute bei uns hauptsächlich kennen, das untergärige Bier bayrischer Tradition, gab es nicht. Und von einem "Reinheitsgebot" konnte überhaupt keine Rede sein. Bier wurde aus den unterschiedlichsten Zutaten hergestellt, hatte eine große Bandbreite von Qualitäten - und immer wieder kommen Klagen über kaum genießbare Bier"sorten".  
  Das Bier, das angesichts mangelnder Qualitäten und Kühlmöglichkeiten nur kurze Zeit haltbar war, erhielt vom 17. Jahrhundert an einen ernsthaften Konkurrenten: den Branntwein. In dem Maße, in dem seine Herstellung vereinfacht wurde, löste er in unserer Region das Bier als hauptsächliches alkoholisches Getränk ab. Sein imenser Vorteil: Branntwein konnte problemlos aus heimischem Getreide hergestellt werden, er war haltbar und er konnte ohne große Vorkehrungen gelagert werden. Schließlich: Auch der Preis "stimmte". Allerdings setzten auch schon früh die Versuche ein, das Brennen zu verbieten oder einzuschränken.  
  Hermann Kaiser beschreibt all dieses - und vieles andere mehr (z. B. auch die aufkommende Kaffee-Bewegung") - ausführlich in einer Fülle von Quellen aus unserer Region. Das Buch, das gleichzeitig Begleitband zu einer Ausstellung des Museumsdorfes ist, führt uns ganz eindringlich vor Augen, daß all das, was wir heute für so selbstverständlich halten, für unsere Vorfahren oft ein Luxus war; und wenn es sich "nur" um sauberes Wasser handelte.  

 

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Stand: 06. März 2009