Jahrbücher
Oldenburger Münsterland

 

Kommentar von: Heinz Strickmann Interne Nr.: 9948-01

 

 
Sehnsucht Heimat?
 
  Um es vorweg zu sagen: Bei Heike Pfister-Heckmanns Buch handelt es sich um ein brandaktuelles volkskundliches und wissenschaftliches Werk; denn sie hat mit dieser Arbeit an der Universität Münster promoviert. Es ist jedoch für jeden Lokalhistoriker der Region interessant und aufschlußreich. Die Autorin hat den Landkreis Cloppenburg für ihre wissenschaftliche Arbeit gewählt, weil die Auswirkungen des Aussiedlerstromes in den Einstellungs- und Verhaltensänderungen der einheimischen Bevölkerung besonders gut zu beobachten waren. Innerhalb von sieben Jahren kamen 8.563 Aussiedler - sie stammen zu 98 Prozent aus der ehemaligen UdSSR - in den 112.708 Einwohner zählenden Landkreis. Dr. Pfister-Heckmann schreibt in der Einleitung ihres Werkes, daß die Reaktion der Einheimischen auf ihre neuen Mitbürger anfangs herzlich und hilfsbereit gewesen sei und es Kleider-, Möbel- und Geldspenden für die Rußlanddeutschen gab. Diese positive Einstellung habe sich jedoch in eine Abwehrhaltung gewandelt, als am Stadtrand von Cloppenburg eine Neubausiedlung entstand, in der hauptsächlich Rußlanddeutsche ihre Eigenheime errichteten. Der Eindruck einer sozialen Benachteiligung der Einheimischen gegenüber den Aussiedlern verfestigte sich. Auch wurde plötzlich die Legitimation der Einwanderung der Aussiedler bezweifelt. Mangelnde Sprachkenntnisse führten dazu, daß die Aussiedler von vielen Einheimischen als Russen bezeichnet wurden.  
  Im ersten Teil ihrer umfassenden Arbeit stellt die Autorin die Geschichte der Rußlanddeutschen vor und zwar von der Auswanderung nach Rußland aufgrund des Manifestes von Katharina der Großen bis hin zur Remigration der Rußlanddeutschen in den achtziger Jahren. - Die Gründe und Ursachen, die zu einem derart gleichbleibenden Zuzug von rußlanddeutschen Aussiedlern in den Landkreis führten, werden im zweiten Teil untersucht. - Besonders individuell aufschlußreich ist der dritte Teil der Dissertation, der die Darstellung und Analyse der lebensgeschichtlichen Erzählungen der Rußlanddeutschen beinhaltet.  
  Neben der Geschichte der Rußlanddeutschen in Rußland und der Sowjetunion interessiert den Lokalhistoriker besonders der dritte Teil des Werkes: Die Rußlanddeutschen im Landkreis Cloppenburg. Unter anderem wird ausführlich über die gelenkte Ansiedlung von Aussiedlern im Landkreis Cloppenburg von 1965 bis 1976, über die Ermlandsiedlung in Cloppenburg und die Friedlandsiedlung in Molbergen sowie über die kommunalpolitischen Interessen bei der Ansiedlung von Aussiedlern berichtet. Weiter untersucht die Autorin die Berufe und die berufliche Integration der Rußlanddeutschen sowie die Religionszugehörigkeit. Besonders die Pfingstgemeinde wird in der Region kritisch betrachtet und beurteilt: 1. weil den Einheimischen der Glaubensinhalt nicht bekannt ist und sie kein Verständnis für die religiösen Gesetze der Gemeinschaft, die häufig sogar als Sekte bezeichnet wird, aufbringen und 2. wegen der fehlenden Integrationsbereitschaft der Pfingstler.  
  Heike Pfister-Heckmann wurde 1965 in Diepholz geboren und wuchs in Cloppenburg auf Nach dem Abitur studierte sie in Würzburg und Münster. Ihr Buch "Sehnsucht Heimat? - Die Rußlanddeutschen im niedersächsischen Landkreis Cloppenburg" wurde 1995 als Dissertation im Fach Volkskunde/Europäische Ethnologie eingereicht. Es sollte in keiner öffentlichen Bücherei des Oldenburger Münsterlandes fehlen.  

 

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Stand: 06. März 2009