Jahrbücher
Oldenburger Münsterland

 

Kommentar von: Andreas Kathe Interne Nr.: 9847-03

 

 
Das Niederstift Münster im Zeitalter der Reformation
 
  Was geschah eigentlich wirklich in unserer Heimat in den Jahren der Reformation zwischen 1540 und 1620? Der evangelische Pastor von Dinklage und Wulfenau, Tim Unger, hat die Jahrzehnte aus kirchengeschichtlicher Sicht untersucht. Sein neues Buch - "Das Niederstift Münster im Zeitalter der Reformation" - beantwortet jetzt viele noch offene Fragen.  
  Unger, dessen Untersuchungen ihm an der Universität Göttingen den theologischen Doktortitel einbrachten, vermeidet in seiner Analyse sorgsam das Schema "gut" und "böse". Sein - richtiger - Ansatz beginnt mit der Frage, wie denn die kirchliche Wirklichkeit des Spätmittelalters in unserer Heimat aussah?  
  Wir können hier nur ganz verkürzt einige Ergebnisse vorstellen: So gab es zunehmend den Wunsch in der Bevölkerung nach einer besseren Seelsorge. In vielen Kirchengemeinden waren die - oft von außerhalb kommenden Pfarrer - gar nicht präsent, sie ließen sich durch Kapläne und Vikare vertreten. Oft zum Unwillen der Kirchspielsbevölkerung, denn nicht immer waren diese Vertreter gut ausgebildet und ihrer Aufgabe gewachsen.  
  Dies immer mehr um sich greifende Pfründen- oder Benefizwesen des Mittelalters war ein Grund für die Bevölkerung, sich für eine Neuordnung der Seelsorge stark zu machen. Unger schildert dies am Beispiel der Stadt Meppen recht anschaulich. Der Magistrat der Stadt wird hier zum eifrigsten Befürworter der Reformation.  
  Die Einführung des lutherischen Bekenntnisses war zunächst aber ein Akt der Herrschaft: Franz von Waldeck, Bischof von Osnabrück, Münster und Minden, unterstützte die starke reformatorische Bewegung in der Stadt Osnabrück und lud 1543 den aus Quakenbrück stammenden und in Lübeck arbeitenden Reformator Hermann Bonnus ein, im Bereich des Bistums Osnabrück tätig zu werden und eine neue Kirchenordnung zu entwerfen.  
  Zum Seelsorgebereieh des Bistums gehörte dabei auch das Niederstift Münster; die geistliche Jurisdiktion über das Niederstift ging erst 1667 an Münster über. Bononnus war nur 1543 tätig (u. a. auch in Vechta und Wildeshausen) und Fritz von Waldeck mußte aufgrund des Widerstandes seiner Domkapitel 1548 die Reformationsbemühungen offiziell einstellen, doch die neue Kirchenordnung wurde sozusagen zu einem Selbstläufer. Bis zum Ende des 16 Jahrhunderts hatte sich, so Unger, zumindest in den Städten des Niederstiftes ein relativ gefestigter lutherischer Bekenntnisstand entwickelt.  
  Es dauerte Jahrzehnte, bis unter Bischof Ferdinand von Bayern ab 1612 im Niederstift die Rekatholisierung einsetzte. Generalvikar Dr. Johannes Hartmann und den mit der Einführung des katholischen Bekenntnisses beauftragten Jesuiten standen aber harte Jahre bevor; gerade in den Städten widersetzte die Bevölkerung sich diesen Bestrebungen heftig, viele Adelsfamilien blieben ihrem lutherischen Bekenntnis treu. In langwieriger Überzeugungsarbeit und nicht ohne Druck von oben wurden neue Priester und die neuen Meß- und Liturgieformen durchgesetzt.  
  Tim Unger gelingt es, uns eine sehr differenzierte und vielschichtige Sicht des "Reformatonsversuches von 1543 und seiner Folgen" vorzustellen. Als Kirchenhistoriker betrachtet er dabei nüchtern die anhand der leider lückenhaften Quellen heute noch nachvollziehbare geschichtliche Entwicklung. Einfühlsam beurteilt er das Verhalten der Menschen und der "Mächtigen" aus ihrer Zeit heraus. Er bietet uns damit erstmals eine "Reformationsgeschichte", die frei ist von jeder konfessionellen Vorgeprägtheit.  

 

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Stand: 06. März 2009