Jahrbücher
Oldenburger Münsterland

 

Kommentar von: Beckermann Interne Nr.: 9443-03

 

 
Westfalen in Niedersachsen
Kulturelle Verflechtungen: Münster - Osnabrück - Emsland - Oldenburger Münsterland
 
  "Westfalen in Niedersachsen" lautete der provokante Titel einer vielbeachteten Ausstellung zum l200-jährigen Stadtjubiläum in Münster, die zur Zeit im Museumsdorf Cloppenburg (Oktober 93 bis März 94) und danach im Kulturgeschichtlichen Museum Osnabrück sowie im Schloß Iburg zu sehen ist.  
  "Ausgangspunkt des Forschungsunternehmens war die These, daß der Raum zwischen Münster, Osnabrück, Meppen, Cloppenburg und Vechta eine Region bzw. eine Landschaft mit einem gemeinsamen Erbe und einer gemeinsamen kulturellen Identität darstellt", resümiert G. Dethlefs die Zielsetzung der auftraggebenden Landkreise Cloppenburg, Emsland, Osnabrück und Vechta sowie der Städte Münster und Osnabrück. Damit wird der Versuch unternommen, durch das Aufzeigen der Zusammenhänge und Bezüge zwischen den einzelnen Regionen dieses Großraums die kleinräumliche Begrenztheit mancher regionalgeschichtlicher Studien zu überwinden.  
  Besonders eindrucksvoll gelingt dieses Vorhaben in den umfangreichen Beiträgen von Reinhard Karrenbrock (Seite 107-341), der einen klar strukturierten, anschaulich illustrierten und durch neue Befunde auch für die Fachwissenschaft grundlegenden Überblick über die sakrale Kunst des genannten Raumes von der Spätromanik bis ins 20. Jahrhundert bietet.  
  Vielen Interessierten im Oldenburger Münsterland wird etwa die Arbeit des Münsteraner Altarbauers und Hofbildhauers J. H. König (+ 1784) durch seine prachtvollen Altäre in der St. Andreaskirche in Cloppenburg und in der Propsteikirche Vechta bekannt sein. Ein viel umfassenderes Bild gewinnt jedoch der Leser, wenn er der Darstellung Karrenbrocks folgt, der das Velen-Epitaph im Dom zu Münster erstmalig als eine frühe Arbeit H. J. Königs identifiziert, seine Arbeiten in Recke, Voltlage, Thuine und Aschendorf darstellt und dann weitere Spuren seiner Tätigkeit im Niederstift - neben den genannten Altären in Vechta und Cloppenburg nachweist, wobei er u. a. auch den Vestruper Altar (der also in dieser Form nicht aus der Vechtaer Zitadellenkirche stammen kann) der Werkstatt Königs zuschreibt.  
  Ähnlich vielfältige Befunde fördert Karrenbrock zu Tage zum "Meister des "Krapendorfer Altares", zu den Bildhauerfamilien Jöllemaan und Meiering, zu den Kirchenbauten im Niederstift und sogar - ein bisher kaum beachtetes Feld sakraler Kunst - zur Malerei des 18. Jahrhunderts.  
  Mit Interesse wird man auch die einleitenden vier Beiträge zur Geschichte des angesprochenen Raumes lesen (Seite 25-106), in denen die schwierige Aufgabe, auf knappem Raum die Eigenentwicklung und die Verflechtungen der einzelnen Teilreligionen anschaulich werden zu lassen, in unterschiedlichem Maße realisiert wird. Hervorragend gelungen ist sie im Beitrag von G. Dethlefs (1530-1802), während die Darstellung von P. Mecklenbrauck die Zeit von 1815-1993 eher summarisch als exemplarisch angeht.  
  Ein guter Griff war es auch, im dritten Teil des Buches (Seite 342-400) Kurzbiographien ausgewählter Persönlichkeiten des Raumes zu präsentieren. Widukund, die Gräfinnen Sophie und Jutta von Vechta, die Münsterschen Fürstbischöfe Christoph Bernhard von Galen und Clemens August von Bayern und Kardinal Clemens August dürften im Oldenburger Münsterland die meisten Leser finden.  
  Der Band ist prächtig ausgestattet und mit hervorragenden Photos und Abbildungen reich illustriert; der Preis von 26,-- DM ist angesichts dieser Ausstattung geradezu sensationell. Umfangreiche Literaturhinweise bestätigen die fachlich solide Arbeit der Autoren; kleinere Versehen (Seite 32 "Burg in Löningen" - ist die Arkenau in Brokstreek gemeint? Seite 49 Verwechslung des Vechtaer und des Cloppenburger Drosten; Seite 93 "Reichstag des Norddeutschen Bundes"!) könnten bei einer evtl. Neuauflage korrigiert werden.  
  Wünschenswert wäre dann auch ein Orts- und Namensregister zu den kulturgeschichtlichen Befunden Karrenbrocks; denn der vorliegende Band ist nicht ein Ausstellungskatalog im herkömmlichen Sinne; er ist vielmehr ein Handbuch zur kulturgeschichtlichen Entwicklung des Niederstifts (und des Osnabrücker Nordlandes), das in den Bücherschrank eines jeden Heimatfreundes gehört.  

 

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Stand: 06. März 2009