Jahrbücher
Oldenburger Münsterland

 

Kommentar von: Andreas Kathe Interne Nr.: 9443-02

 

 
Clemens August Graf von Galen
Neue Forschungen zum Leben und Wirken des Bischofs von Münster
 
  Der Vechtaer Historiker Professor Dr. Joachim Kuropka hat über mehrere Jahre hinweg gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe das Leben und Wirken des aus Dinklage stammenden Bischofs und späteren Kardinals Clemens August von Galen erforscht. Das Ergebnis kann sich in der Tat sehen lassen: Neben einer umfangreichen Ausstellung mit vielen Dokumenten und Fotos, die im Juni 1992 erstmals im Gebäude des Niedersächsischen Landtags gezeigt wurde und die seitdem an vielen anderen Orten für Aufsehen sorgte, gab es eine Reibe von Büchern und Aufsätzen. Direkt mit der Ausstellung verbunden sind dabei der Katalog (Clemens August von Galen, Sein Leben und Wirken in Bildern und Dokumenten) und das Begleitheft zur Ausstellungseröffnung in Hannover.  
 

Der Katalog gibt auf 280 Seiten Fotos, Aktenauszüge, Zeitungsberichte, Flugblätter, Predigtenmitschriften wieder, die bisher kaum oder in vielen Fällen - noch gar nicht veröffentlicht wurden. Der Schwerpunkt der Dokumentation liegt dabei bewußt auf dem Wirken des Bischofs während der NS-Zeit. Von großer Bedeutung sind aber auch Quellen, die die kirchliche und politische Grundeinstellung von Galens in der Zeit vor 1933 beleuchten. Der Ausstellungskatalog ergänzt die schon bisher vorliegenden, wertvollen Quellensammlungen von Löffler (Bischof Clemens August Graf von Galen, 2 Bände, Mainz 1988) und Kuropka (Meldungen aus Münster 1924-1944, Münster 1992) ganz wesentlich. Und wer sich heute im wahrsten Wortsinn ein "Bild" machen will von diesem energischen Widersacher des NS-Regimes, der kommt an diesem Buch nicht vorbei.

 
  Ein wirklich herausragender wissenschaftlicher "Wurf" ist dem Vechtaer Professor und seiner Arbeitsgruppe - sowie den weiteren Autoren - mit dem 440-seitigen Forschungsband (Neue Forschungen zum Leben und Wirken) gelungen. Die Grundfragen der Wissenschaftler waren dabei: Stimmt eigentlich die sogar von namhaften Historikern erhobene Kritik an von Galen? Stand er gar in seiner Anfangszeit als Bischof den Nationalsozialisten nahe? Hat er überhaupt Widerstand geleistet? Das intensive Eingehen auf bereits bekannte Quellen aus der Lebensgeschichte Galens, zugleich aber auch interessante neue Quellenfunde schufen die Grundlage für ein überarbeitetes Galenbild, das viele gängige Ansichten über den Bischof korrigiert.  
  Die Forschungen sind breit angelegt. Hier ein Überblick über die Autoren und Themen: Maria Anna Zumbolz befaßte sich mit der Prägung Clemens August Graf von Galens in Elternhaus, Schule und Universität sowie - in einem zweiten Beitrag - mit der Stellung Galens im deutschen Episkopat 1933 bis 1945. Barbara Imbusch erforschte die Tätigkeit Galens als Seelsorger in Berlin von 1906 bis 1929. Joachim Kuropka ging der Frage nach, wie sich Galen in der Umbruchzeit 1929 bis 1934 verhielt, und er untersuchte die grundsätzliche Frage: "Leistete Clemens August Graf von Gaten Widerstand gegen den Nationalsozialismus?" Rudolf Willenborgs Arbeit gilt der Auseinandersetzung des Bischofs mit dem Regime in Fragen der Erziehung (besonders bezogen auf den oldenburgischen Teil der Diözese Münster). Werner Teuber und Gertrud Seelhorst beschreiben die Haltung des deutschen Episkopats und des Bischofs von Münster in der Frage der Judenverfolgungen und der Verfolgung getaufter Juden. Susanne Leschisnki betrachtet das leider nur noch kurze Wirken des Bischofs und Kardinals in der Nachkriegszeit. Dem Kirchenamt, der Theologie und der Seelsorge gelten die Beiträge von Joachim Maier und Wilhelm Damberg. Klemens-August Recker fragt nach dem Verhältnis der Bischöfe Berning (Osnabrück) und Galen. Wichtig für die Beurteilung von Galens aus heutiger Zeit sind zwei Beiträge am Schluß des Bandes: Christoph Arens befragte noch lebende Zeitzeugen nach der Verbreitung und Wirkung der berühmten Predigten des Jahres 1941. Bernd Koopmeiners – "Religiöse Erziehung durch Vorbilder" - stellt vor, wie sich das Leben und Wirken von Galens in den Religionsunterricht der Sekundarstufe I einbringen läßt.  
  Das Resultat dieser Forschungen - von Kuropka für den Teilbereich "Widerstand" noch einmal kurz in den "Xantener Vorträgen" vorgestellt - ist eindeutig. Von Galen stand dem Nationalsozialismus nie nahe, hat vielmehr schon früh die Unvereinbarkeit der katholischen Glaubenslehre und seiner eigenen Überzeugungen mit den Thesen der NS-Ideologen (Beispiel: Rosenberg) klar herausgestellt. Immer wieder - und dies auch schon in der Anfangszeit als Bischof - hat Galen Unrechtstaten des Regimes angeprangert. Und mit den sich verschärfenden Übergriffen der Nationalsozialisten gegen die Kirche, gegen Priester und einzelne Gläubige nahm auch der Widerstand des Bischofs zu, Kuropka macht deutlich, daß hier wirklich von "Widerstand" gesprochen werden muß. Denn das Eintreten des Bischofs für Menschenrechte und Religionsfreiheit wurde vom Regime selbst als "politische Aktion" betrachtet. Galen war ein Oppositioneller, der von den Nationalsozialisten genauestens überwacht wurde, und den Verantwortliche bis hinauf zu Hitler selbst am liebsten schnell aus dem Verkehr gezogen hätten. Insofern haben die "Forschungen" eindrucksvoll bestätigt, was Zeitzeugen nie bezweifelten: Galen gehört in die Reihe der kirchlichen Widerstandskämpfer.  

 

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Stand: 06. März 2009