Jahrbücher
Oldenburger Münsterland

 

Kommentar von: Josef Möller Interne Nr.: 0049-05
 
 
Johanniter im Nordwesten
 
  Die Ausstellung „Johanniter im Nordwesten“ im Stadtmuseum Oldenburg (19.3.-25.4 1999) hatte wie der gleichzeitig von der Stadt Oldenburg herausgegebene Katalog den Untertitel „Zur Geschichte des Johanniterordens im nordwestlichen Niedersachsen“. Da im Mittelalter im jetzigen Regierungsbezirk Weser-Ems mehr als 20 Johanniter-Kommenden bestanden haben und sich die regionale Forschung lange nicht mehr zusammenfassend mit diesem Thema beschäftigt hat, konnte ein Besucher auf die Ausstellung gespannt sein. Diese hatte zwei Schwerpunkte: Die Fotoschau im Erdgeschoß informierte über die - Arbeit der (evangelischen) Johanniter-Unfallhilfe e.V., die sich heute ebenso wie der (katholische) Malteser Hilfsdienst e.V. mit der Notfallvorsorge (Erste Hilfe, Rettungswesen, Krankentransport) und anderen Bereichen der Wohlfahrtspflege und des sozialen und karitativen Dienstes befaßt. Das Obergeschoß des Museums war für die Regionalgeschichte des Johanniterordens vorgesehen.  
  Der erste Eindruck während der Eröffnungsveranstaltung oder bei einem späteren Museumsbesuch mußte für einen aus Ostfriesland oder dem Oldenburger Land stammenden Besucher verblüffend sein. War das eine Präsentation des Johanniterordens in Ostfriesland und Oldenburg, oder wurde hier nur die Kommende in Lage vorgestellt? Auffällig waren zunächst mehrere großformatige Gemälde, die Porträts adeliger Herren, eine Ritterrüstung und ein Ordensmantel. So war auf 2 x 2,75 m an der dem Eingang gegenüberliegenden Wand in einer Allegorie eine der Hauptaufgaben des militärischen Malteserordens, die Bekämpfung des Islams, farbenprächtig dargestellt. Eine mit dem Johanniterkreuz geschmückte römische Kriegsgöttin setzte als Zeichen des Sieges einem muslemischen Krieger ihren Fuß auf das Haupt. Rechts und links segelten in der unteren Bildhälfte Schiffe der maltesischen Flotte. Monika Kramer spricht in ihrem in Band VI der Schriftenreihe „Kultur im Osnabrücker Land“ veröffentlichten Aufsatz „Die Kommende des Johanniter-Ritterordens Lage und ihre Innenausstattung im frühen 18. Jahrhundert“ vorn einer pompösen, martialischen Draperie von Fahnen, Kanonen, Lanzen und Gewehren. Andere Gemälde, die ebenfalls aus Lage (Landkreis Osnabrück) stammen, zeigten die Staatsgaleere eines maltesischen Großmeisters oder die Bildnisse einzelner adliger Komture und Großpriore, die sonst im Kreismuseum Bersenbrück zu sehen sind. Aufgeschlagene Bücher mit Holzschnitten von Jerusalem, Rhodos und Malta, Wappentafeln, Uniformen, Orden und ein Teil einer Kanone vervollständigten den Ersteindruck, daß sich hier ein adliger und kriegerischer Orden mit maritimer Tradition vorstellte.  
  Wird eine Ausstellung dieser Art den Johannitern im Nordwesten gerecht? Haben die aus dem Bauernstand stammenden Stifter und Bewohner der Johanniterhäuser in Ostfriesland und Nordoldenburg in einem solchen Orden gelebt und in diesem Geist gebetet und gearbeitet? Hat die Regionalgeschichte den Orden so dargestellt?  
  Der Ausstellungskatalog und bei genauerem Hinsehen letztlich auch die Ausstellung stellen manche vorschnelle Einwände richtig. Rolf Schäfer vergleicht in seinem Aufsatz „Die Johanniterhäuser in der Grafschaft Oldenburg um 1500“ die Ordensregel des Großmeisters Raimund von Puy mit dem geistlichen Leben in den nordwestdeutschen Kommenden, allerdings zu einer Zeit, als das Mönchtum im Orden insgesamt bereits seinen Niedergang erlebte. Er wertet dafür die Berichte über die Kommende Burgsteinfurt aus, die anläßlich der Generalvisitationen der Jahre 1494/95 und 1540/41 entstanden sind. Bredehorn, Hove, Langewisch, Roddens, Witleke, Inte und Strückhausen wurden damals wie die anderen friesischen Häuser nicht visitiert, „weil sich ein Besuch nicht lohnte“. Die Häuser waren sehr klein, sodaß kaum die Voraussetzungen für ein geregeltes Ordensleben bestanden haben. Es gab zu dieser Zeit in Nordoldenburg weder ein Hospital noch eine Schule bei den „Klöstern“, kein Wallfahrtsheiligtum wie das Kreuz in Lage, kein blühendes klösterliches Leben mit dem Stundengebet als Tagesgliederung und kaum eine „Leistung auf dem Gebiet der Gelehrsamkeit“. Schäfer stellt daher die Frage nach der Funktion der nordoldenburgischen Häuser um 1500, die schließlich im Geist der Reformation um 1530 durch Graf Anton I. zugunsten der Obrigkeit eingezogen worden sind. Für ihn waren die mittelalterliche Religiosität, Ablässe und die Teilnahme an den guten Werken des Ordens der Anlaß, daß bäuerliche Menschen in den Orden eintraten und in den Betrieben wirtschafteten. Mit dem Aufkommen der lutherischen Rechtfertigungslehre verschwand dann der Grund, „sich im Alter in ein Johanniterhaus einzukaufen oder sein Begräbnis auf einem Johanniterfriedhof zu wünschen.“  
  Ludwig Biewer gibt in seinem Beitrag „Zur Geschichte des Ritterlichen Ordens S.' Johannis vom Spital zu Jerusalem und der Balley Brandenburg“ einen kurzen, inhaltsreichen Überblick über die Entstehung des Johanniterordens während der Kreuzzugszeit und über die Organisation und Aufgaben bis zur heutigen Tätigkeit des geistlichen Ordens evangelischer Konfession in der „Krankenpflege als Tat christlicher Nächstenliebe“. Besonders herausgestellt wird die Entwicklung der ab 1382 fast autonomen Ballei Brandenburg, die schließlich vom preußischen Staat übernommen und von König Friedrich Wilhelm IV. 1852 wiederhergestellt wurde. Hier wird der Bogen zum ersten Austellungsschwerpunkt geschlagen, da der heutige Johanniterorden die Tradition der Brandenburger Ballei fortsetzt. Wie der Herrenmeister, Wilhelm Karl Prinz von Preußen, in einem Grußwort im Katalog hervorhebt, sucht gegenwärtig der ausschließlich auf karitativem Gebiet tätige Orden „im Rahmen des unveränderten Grundauftrages immer wieder aktuelle Aufgaben.“ Die über hundert ausgestellten Objekte hat Egbert Koolman mit wissenschaftlicher Sorgfalt, mit Herkunfts- oder Standortangabe und (wenn möglich) mit Literaturhinweisen ausführlich und sachkundig beschrieben. Dabei wird erneut deutlich, daß die Allgemeingeschichte des Ritterordens und die von Otto von Tecklenburg gegründete Kommende mit ihrem  adligen Hintergrund die Ausstellung und dann natürlich auch den Katalog dominieren. Nachdem in der Reformations­zeit die ostfriesischen und nordoldenburgischen Häuser aufgegeben und fast bis auf den letzten Stein abgetragen wurden sind, ist die Zahl der möglichen Exponate aus diesem Raum leider begrenzt. Die ausgestellten Urkunden, Briefe, Bücher Federzeichnungen und Karten können somit die kolonisatorische, religiöse und soziale Leistung des Johanniterordens in den friesischen Ländern nur andeuten.  
  Bedauerlich ist allerdings nicht nur aus Südoldenburger Sicht, daß die Johanniterkommende Bokelesch in der Ausstellung lediglich mit dem bekannten Verzeichnis der Bewohner des Hauses von 1549 berücksichtigt wurde. Schon mit einem Foto und der Beschreibung der gut erhaltenen Klosterkirche hätte man das einzige heute noch vorhandene Gebäude aller Ordenshäuser gezeigt, die am 8. September 1319 im sog. Groninger Vergleich genannt werden. Außerdem sind in Bokelesch aus der Johanniterzeit ein Kruzifixus und eine vor Jahrzehnten zur Strahlenmadonna veränderte mittelalterliche Marienstatue und im Cloppenburger Museumsdorf ein altes Missale vorhanden. Im Staatsarchiv Oldenburg liegen mehrere Karten, die den ehemaligen Grundbesitz der Kommende wiedergeben.  
  Anlaß für die Ausstellung (und den Katalog) war die 900-Jahrfeier der Gründung des „Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem“. Darf man darüber nachdenken, was die Johanniter im Jahr 1999 eigentlich feiern? Das Hospiz der Brüder aus Amalfi hat in Jerusalem schon weit vor 1099 bestanden, zu den Kreuzzügen wurde von Papst Urban II. 1095 aufgerufen, und der Ritterorden hat seine Statuten erst Jahrzehnte später nach dem Vorbild der Templer erhalten. So bleibt eigentlich nur die Eroberung Jerusalems mit dem schrecklichen Blutbad an den gesamten muslimischen und jüdischen Bevölkerung als historisches Ereignis des Jahres 1099 übrig. Nach Runciman war diese (nicht nur aus der Sicht der Araber) barbarische Tat der „blutrünstige Beweis christlichen Fanatismus, [...] der den Fanatismus des Islam neu entfachte“. Wäre da nicht ein klärender Beitrag über das Rittertum im Hochmittelalter oder eine Anmerkung zur Problematik der Kreuzzüge und der fragwürdigen Verbindung von Mönchsleben und Rittertum angebracht gewesen?  

 

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Stand: 06. März 2009