Ahnenforschung im
O
ldenburger Münsterland

 

Prof. Dr. Clemens Pagenstert
Die Bauernhöfe im Amte Vechta

 

IX.

Die Abfindung der von der Stelle abziehenden Kinder

 

  (Seite 45 im Buch)  
 

Eine mißliche Sache war in den münsterschen Landesteilen früher die Abfindung der von der Stelle abgehenden Kinder, da in der münsterschen Eigentumsordnung hierüber feste Bestimmungen fehlten. Nach der Erbpachtordnung sollte bloß von dem Pekulium, d. h. dem auf der Stelle vorhandenen Vermögen (Vieh, Geräte, Geld), eine Abfindung gegeben werden. Diese Bestimmung war hart, da bei einem verschuldeten Pekulium die Abfindlinge leer ausgehen mußten. Da nun nach der Eigentumsordnung die Aussteuerungssumme innerhalb 5 Jahren abgetragen werden sollte, so nahm man an, daß der Gesetzgeber den abgehenden Kindern den fünfjährigen Ertrag des Hofes habe zuwenden wollen. Es wurde deshalb gewöhnlich der fünfjährige Ertrag und der Wert des Pekuliums zugrunde gelegt, von welch letzterem jedoch das Precipuum (eine bestimmte Anzahl von Vieh, Geräten und Früchten) ausgeschlossen war, das für den Anerben nach der Erbpachtordnung abgesondert wurde. Diese Grundsätze gelten nur für die Eigenhörigen und die Erbpächter, wurden aber meistens auch für die Hofhörigen in Anwendung gebracht. Die Gutsherrschaft sah vornehmlich darauf, daß die Abfindungsgelder mit den Kräften des Pekuliums und dem Ertrage der Stelle im Verhältnis standen. Schlimm stand es aber mit der Abfindung der Kinder der gutsherrnfreien Stellen. Bei diesen herrschte wegen der Ungewißheit des Rechts die größte Willkür. Die Folge war nur zu oft Überschuldung infolge zu hoher Aussteuerung abgehender Kinder und weiterhin Verlust der Stelle. In der Grafschaft Diepholz bestimmte man den Brautschatz von freien Meierhöfen, indem sämtliche Gebäude auf dem Kolonate mit Inbegriff der Heuerhäuser taxiert wurden und der taxierte Wert unter sämtliche Kinder, der Grunderbe mitgerechnet, verteilt wurde. Der Grunderbe behielt die zum Kolonate gehörigen Ländereien ganz für sich, aber auch alle Schulden, welche auf der Stelle hafteten. Hiernach erhielten die Abfindlinge, wenn die Eltern zwei Stellen besaßen, von denen die eine unbehaust war, von dieser gar keinen Brautschatz. Im Fürstentum Osnabrück gab es über die Aussteuerung der abgehenden Kinder bestimmte Verordnungen, mit denen es jedoch in der Regel nicht so streng genommen wurde, und die nur dann zur Anwendung kamen, wenn die Beteiligten sich auf andere Weise nicht verständigen konnten. Wenn die Parteien sich selbst über die Abfindung vereinbarten, dabei der Anerbe das Interesse der Stelle zu wahren wußte, pflegte die Gutsherrschaft derartige Vergleiche zu genehmigen. Nach einer Verordnung vom 5. Dezember 1768 erhielt der Anerbe das Erbwohnhaus nebst Hof, Garten und Markengerechtigkeit, ferner die nicht bewohnten Gebäude und das Leibzuchtshaus vorab, im übrigen wurde die Stelle taxiert, und von dem abgeschätzten Ertrage wurden zunächst alle auf der Stelle haftenden Abgaben und Lasten (mit Ausnahme der ungewissen Kirchspiels- und Bauerschaftsbeschwerden) und dann auch die Zinsen aller Schulden zu 5 % abgezogen, worauf der reine Überschuß des Ertrages zu 5 % kapitalisiert wurde und die eine Hälfte dieses Kapitals dem Anerben verblieb, die andere aber unter die abgehenden Kinder verteilt wurde. Außerdem erhielten die abgehenden Kinder statt der Aussteuer oder des Brautwagens auch noch eine Zugabe an Geld, welche dem zehnten Teile ihrer Abfindung gleichkam. Nach einer Verfügung vom 27. Juli 1779 wurde eine Abänderung dahin getroffen, daß, wenn der Überschuß des Ertrages von einer eigenhörigen Stelle ausfindig gemacht und zu einem Kapital, zu 5 % gerechnet, angeschlagen war, der Anerbe von diesem Kapital die Hälfte für sich behalten, die andere Hälfte aber unter demselben und den abgehenden Kindern so verteilt werden sollte, daß von dieser 2. Hälfte, wenn neben dem Anerben noch 1 abgehendes Kind vorhanden war, jener 2/3 und diese 1/3, wenn aber 2 Kinder abzufinden waren, der Anerbe 2/4 und ein jedes der abgehenden Kinder ¼ erhalten; wenn 3 abgehende Kinder da waren, dem Anerben 2/5 und einem jeden abgehenden Kinde 1/5; wenn aber 4 Kinder auszusteuern waren, dem Anerben nicht mehr als 1/5 zugelegt wurden; dahingegen, wenn die Zahl der auszulobenden Kinder auf 5 oder mehrere sich erstreckte, der Anerbe aus der 2. Hälfte nichts bekommen, sondern diese ganz unter die übrigen Kinder verteilt werden sollte. Außerdem erhielten die abgehenden Kinder wegen der Aussteuer oder des Brautwagens noch eine gewisse Zulage an Geld und zwar, wenn 3 oder weniger vorhanden waren, noch 1/6 desjenigen, was ihnen an Brautschatz zugelegt war; wenn aber 4 oder mehrere Kinder vorhanden waren, jeder noch den 10. Teil des Brautschatzquantums als Zulage für die Aussteuer. Den abgehenden Kindern der Hausgenossen sollten die unter dem gutsherrlichen Sterbfalle nicht begriffenen elterlichen baren oder ausstehenden Gelder, ebenso die zur Hofgewehr nicht gehörenden Mobilien nach einem billigen und mäßigen Anschlage zu nutze kommen und hiervon dem Anerben nicht mehr als die ihm zugelegte doppelte Portion zuteil werden.

 
 

Nach dem oldenburgischen Gesetze vom 24. April 1873 ist der Grunderbe, der das Alleineigentum der Stelle erwirbt, verpflichtet, den vollen Wert derselben zur Erbteilungsmasse einzuschließen und erhält aus der Erbteilung als Voraus 40 % des schuldenfreien Wertes der Grunderbenstelle. Der Schuldenfreie Wert wird dadurch ermittelt, daß von dem abgeschätzten Wert der Betrag sämtlicher nachgelassener Schulden insoweit, als diese aus dem außer der Stelle vorhandenen Vermögen nicht gedeckt werden können, zum Abzug gebracht werden.

 

 

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Stand: 06. März 2009