Jahrbücher
Oldenburger Münsterland
Kommentar von: | Bernd Ulrich Hucker | Interne Nr.: | 9443-19 |
St. Marien in Bielefeld 1293-1993
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Jahrhunderte besaßen die Grafen von Ravensberg die Herrschaft Vechta und damit verbundene Herrschaftsrechte im Emsland, in Friesland und im Osnabrücker Nordland. Hier gab es nur eine geistliche Stiftung der Dynastie, nämlich das Zisterzienserinnenkloster Bersenbrück, das Graf Otto II. (1218-1245) 123l gegründet hatte (Osnabrück Ub 2 Nr.270-273). Die Ortswahl zeigt, daß der Haupt- und Residenzort noch keineswegs festgelegt war. Sowohl Vechta und Fresenburg als auch Bersenbrück waren potentielle Hauptorte eines künftigen Ravensberrger Nordlandes, das jedoch mit dem Verkauf an Münster 1252 endgültig sein Ende fand. Die Gründung Bersenbrücks entsprach noch ganz der Mode des 12. und beginnenden 13. Jahrhunderts, als edelfreie und gräfliche Häuser sich mit Klöstern der Reformorden kultische Zentren ihres Familiengedenkens schufen. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts jedoch wurde es beliebt, Kollegialstifte einzurichten: Die Edelherren von Diepholz gründeten 1281 das Marienstift in Drebber, die Grafen von Oldenburg 1285 gleichfalls ein Marienstift in Delmenhorst und die Grafen von Wülpe ungefähr zur selben Zeit ein Stift in Drakenburg. 1293 stiftete auch Graf Otto III. von Ravensberg an der Marienkirche der Bielefelder Neustadt ein Kanonikerstift, womit das Programm verfolgt wurde, Bielefeld zum Vorort des sich abrundenden gräflichen Territoriums zu machen und der Dynastie eine Hauskirche und Grablege zu schaffen. Dieses im Jahre 1810 aufgelöste Stift findet in dem von den drei Bielefelder Historikern Altenberend, Vogelsang und Wibbing vorgelegten Sammelband, dessen Beiträge hier nur in Auswahl vorgestellt werden können, eine erschöpfende historische Darstellung. Gründungsgeschichte und mittelalterliche Verfassungs- und Besitzverhältnisse werden vom Mitbg. Joachim Wibbing untersucht. Ergänzt durch Reinhard Vogelsangs Beitrag über die an der Stiftskirche alsbald entstandene Kalandsbruderschaft, die sich als exklusiver patrizischer Kreis entpuppt, folgt mit der luziden Studie des Bielefelder Mediävisten Heinrich Rüthing "Sankt Marien vor der Reformation" ein lebendiges Bild des liturgischen und sakramentalen Lebens der Kleriker im Spätmittelalter. Von Vogelsang ist auch das Kapitel über die Reformation, worin uns auch der Oldenburger Chronist Hamelmann (1526-1595) begegnet: Er war nicht nur als zweiter lutherischer Pfarrer an der Stiftskirche führend an der Reformation beteiligt, sondern wirkte zugleich als deren Historiograph. Die Grabtumba des Ottos III. von Ravensberg (1249-1305/06) und seiner Frau Hedwig von Lippe erinnert heute noch an die gemeinsame Vechta-Bielefelder Geschichte (vgl. Seite 223-248). Literaturverzeichnis und ein kunsthistorisches Glossar runden den wertvollen Band ab, der allerdings durch Orts- und Personenregister, ein Kärtchen der Stiftsgüter sowie Übersichten der Dignitare des Kapitels noch mehr gewonnen hätte. |
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