Jahrbücher
Oldenburger Münsterland
Kommentar von: | Bernd Ulrich Hucker | Interne Nr.: | 9342-01 |
Beiträge zur Geschichte der Stadt Vechta |
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Plan und Gestalt dieser Stadtgeschichte ist dem Vechtaer Mittelalterhistoriker Wilhelm Hanisch (Privatdozent, später außerplanmäßiger Professor an der Pädagogischen Hochschule Münster) zu verdanken. Als Hanisch 1985 starb, lagen bereits vier Lieferungen der "Beiträge" vor. Nunmehr, nach fast zwanzig Jahren Arbeit, ist ihm mit dem Gesamtwerk ein würdiges Denkmal gesetzt. An die Stelle von Hanisch trat der Zeithistoriker Joachim Kuropka vom Institut für Geschichte und Historische Landesforschung am Univertitäts-Standort Vechta in die Redaktion ein. Rektor a.D. Franz Hellbernd hat die Drucklegung von Anfang an betreut (die erste Lieferung erschien 1975) - mehrere namhafte Beiträge stammen von den Redaktionsmitgliedern selbst. | ||
Hanisch war es gelungen, außer einer Phalanx bewährter Heimatforscher; wie August Vornhusen, Hans Schlömer; August Wöhrmann, Heinz August Menke, Engelbert Hasenkamp, Albert Pundsack und Josef Nordlohne, für die Mitarbeit renommierte Allgemeinhistoriker wie Ivan Hlavacek von der Universität Prag (Beitrag über Konrad von Vechta), Willehad Paul Eckert O.P. von der Albertus-Magnus-Akademie Walberberg (Dominikaner in Vechta) und Wilhelm Kohl vom Staatsarchiv Münster (Vechta unter münsterischer Herrschaft) zu gewinnen. Die Mittelalterliche Münzprägung wurde von Peter Bergbaus aufgearbeitet, dem Nestor der deutschen Numismatik (Band II Seite 43-54, mit Katalog Seite 46-51; das Notgeld ist Band I Tafel 17 nach Seite 148 abgebildet); die Wirtschaftsgeschichte (mit Schwergewicht im 19./20. Jahrhundert) schrieb der Vechtaer Privatdozent Hermann von Laer. Hellbernd selbst verfaßte die Geschichte der allgemeinbildenden Schulen und die ebenso umfangreiche wie grundlegende Geschichte der Vechtaer Märkte (1988 zugleich separat unter dem Titel Stoppelmarkt in Vechta). Ferner ist hervorzuheben, daß auch Nachwuchshistoriker wie Wolfgang Bockhorst, Gerd Dethlefs und Peter Sieve zu Wort kommen. Die vielseitige Reihe der Autoren wird durch Zeugen zeithistorischer Ereignisse abgerundet - so ist der Caritasdirektor und Landtagsabgeordnete Hans Watermann zu nennen. (Das Ringen um die Sicherung der PH; Stätten der Caritas). Auch der Hochschullehrer (und jetzige Landespolitiker) Werner Münch, 1973 bis 1978 amtierender erster Rektor einer der beiden Vechtaer Hochschulen, der FH, gehört zu den Verfassern (Gründung und Aufbau der Kath. Fachhochschule). | ||
Das Werk ist nicht nur im Umfang über den Charakter von "Beiträgen" hinausgewachsen, sondern auch vom Resultat her zu einer modernen Stadtgeschichte geworden, durch die die beiden Studien von Otto Terheyden und Heinz August Menke, abgedruckt vor bald 40 Jahren in der Festschrift zur Heimatwoche des Landkreises Vechta (Vechta 1954 Seite 22-43), nunmehr entbehrlich sind. Daß man einiges vermißt (z.B. die Sozialgeschichte der Bürgerfamilien sowie die Geschichte des Alexanderstifts, der Reformation, der Kapellen und der städtischen Feldmark), fällt dabei nicht so sehr ins Gewicht, zumal das eine oder andere Thema erst noch gründlicher zu erforschen bliebe. | ||
Den chronologischen Durchgang von der Vorgeschichte zur Gegenwart schaffen folgende Kapitel: Vor- und frühgeschichtliche Bodenfunde (H.G. Steffens, Seite 39-42), Vechta unter den Ravensbergern (W. Hanisch, Seite 43-62), Vechta unter münsterischer Herrschaft (W. Kohl, Seite 53-96). Wilhelm Hanisch ordnet die Stadtwerdung Vechtas einer zwischen 1180 und 1240 anzusetzenden Gründungswelle westfälischer Mittelstädte zu. Außerdem begründet er die These, daß die Wahrnehmung des Münzregals schon in die Zeit Heinrichs IV. (1056-1106) hinaufzurücken sei (was Bergbaus II S.44 freilich bezweifelt und Dethlefs Band I Seite 265 "um 1180/81" ansetzt). In seinem zweiten Beitrag zur Verfassungsgeschichte (Band II Seite 5-42) kommt Hanisch zu dem Ergebnis, daß von einer Stadtrechtsverleihung im Laufe des 13. Jahrhunderts nicht die Rede sein könne. Dem widerspricht aber der Rechtszug nach Osnabrück: die Verleihung dieses Stadtrechts wäre nach dem Übergang an Münster (1252) undenkbar. Die Fortsetzung der Stadtgeschichte ab 1803 erfolgt durch Hartmanns knappen Beitrag Vechta unter Oldenburg (Band I Seite 97-148; erschienen in Lfg. 2,1978) kommt mit 5 Seiten über die Zeit des NS-Regimes aus, was angesichts der profunden Kenntnisse, die in den letzten Jahren dank der Forschungen am Institut für historische Landesforschung z.B. über den Kreuzkampf und die Vechtaer Juden gewonnen wurden, die Schwächen des Erscheinens in Lieferungen deutlich macht. So stößt der Leser auch mitunter auf Konkurrierendes. Nur dann, wenn er den lieferungweisen Fortschritt der Stadtgeschichte mitverfolgt hat, kann er wissen, welche von zwei Rekonstruktion des alten Vechta in ein und demselben Band er vorziehen soll, entweder die erste von Terheyden (Band I Abb. 4 nach Seite 95, oder die von Dethlefs Tät. I nach Seite 342). Die vierzig Jahre bis 1986 (u.a. Vertriebenenintegration, Aufschwung, Kampf um den Erhalt von Landkreis und PH) hat Joachim Kuropka skizziert (Vechta unter Niedersachsen, Band I Seite149-196). | ||
Neben diesen geschichtlichen Durchgang treten die Abhandlungen über einzelne kirchliche und staatliche Einrichtungen und gesellschaftliche Gruppen. Wolfgang Bockhorst erarbeitete aus den Quellen politische und verfassungsrechtliche Geschichte der Vechtaer Burgmannen, deren collegium eine Art Nebenregierung für das Niederstift Münster bildete (Band II Seite 55-94). Eine der wichtigsten Burgmannenfamilien, die einstmals edelfreien Herren von Elmendorff, seit 1331 in Füchtel ansässig, handelt Harald Schieckel ab (Band IV Seite 37-46). Mit der quellenreichen Darstellung der Geschichte des Bischöflich Münsterschen Offizialats von Helmut Hinxlage liegt nach - gerade eine Monographie dieser 1831 gegründeten zentralen Institution vor (Band I Seite 383-468). Der Offizial (seit zugleich 1973 Weihbischof) vermittelt Vechta nach dem Untergang des Burgmannskollegiums wieder eine Mittelpunktsfunktion für das Oldenburger Münsterland und darüber hinaus. Die von Hartmann gelassenen Lücken hinsichtlich des NS-Regimes werden teilweise von Harald Schieckel und Peter Sieve geschlossen. (Die Juden in Vechta; Das Schicksal der Vechtaer Juden im Dritten Reich, (Band II Seite 95-122). | ||
Daneben ist das Werk eine reichhaltige Fundgrube sowohl für Altvertrautes als auch für gänzlich Unbekanntes. So stellt Hellbernd den beliebten Sagenstoff von Sprengepiel erstmals wissenschaftlich dar und führt ihn auf dessen historische Ursprungsfigur den kaiserlichen Rittmeister Lambert Sprengepiel (Sprengepfeil) zurück, der sich mit seiner freyen Söldnerkompanie seit 1640 in Vechta festgesetzt hatte und hier zwischen 1658 und 1664 starb (Band IV Seite 222-229). Größtenteils unbekannt waren die 131 von Gerd Dethlefs aus mehreren europäischen Bibliotheken und Archiven zusammengetragen Pläne der Zitadelle (Band I Seite 343-382). 18 Pläne, z.T. auch die Stadt darstellend, sind abgebildet (nach Seite 342). Der vierte Band enthält in alphabetischer Folge Artikel über Vechtaer Familien und Persönlichkeiten. Außer dem schon genannten Prager Erzbischof Konrad von Vechta (+1431) und dem Sagenhelden Sprengepiel sind das u.a. alteingesessene Familien, wie die Bothe, Farwick, gr. Beilage, Fortmann-Böls, Frye, Krümpelbeck, Ellendorf, Schumacher, Brandis, Denis, Haßkamp, Reinke usw., Geistliche wie Bischof Dingelstad, Dechant Averdam und Titus Horten O.P, die Historiker Driver, Nieberding, Willoh, Pagenstert und Reinke sowie der frühvollendete Lyriker Rolf Dieter Brinkmann (1940-1975). | ||
Die durch Gesamt-Inhaltsverzeichnis (Band I Seite 3ff.) und Personennamenregister (Band IV Seite 261ff.) erschlossenen Bände enthalten eine Fülle von Plänen, Tabellen und wertvollen Bildquellen, von denen manche zum ersten Male publiziert sind, wie der älteste Stadtplan von 1578 (Band II Tafel III nach Seite 94), historische Fotos vom Stoppelmarkt, vom Flughafen usw. (Band II nach Seite 310 und 340) und Stadt- und Burgmanns-Siegel (ebd. Tafel V und Band I Abb. 5 nach Seite 95). |
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