Ahnenforschung im
    O
    ldenburger Münsterland

     

    Prof. Dr. Clemens Pagenstert
    Die Bauernhöfe im Amte Vechta

     

    VII. 1.

    Die Eigenhörigen

     
       

    (Seite 23 im Buch)

     
       

    Die Eigenhörigen oder Leibeigenen waren mit ihrer ganzen Nachkommenschaft einem Leibherrn unterworfen und zu gewissen persönlichen Diensten verpflichtet. Hatten sie außerdem noch einen Hof unter, so hatten sie auch aus diesem Verhältnisse herrührende Leistungen zu prästieren. Man unterschied bestimmte und unbestimmte Leistungen. Letztere hingen zum großen Teil von der Willkür der Gutsherrn ab und waren leicht dem Mißbrauch ausgesetzt. Aus dem persönlichen Leibeigentum ergaben sich folgende Pflichten bzw. Rechte:

     
        a.

    Der Gesindezwangsdienst von jedem im Eigentum geborenen Kinde, Der unentgetliche Dienst dauerte gewöhnlich nur ½ Jahr (im Sommer), und zwar wiederholte er sich an einigen Orten nach 7 Jahren. Mit 14 Jahren diente der Knabe als Schweinehirt, mit dem 21. Jahre als Mittelknecht (Schwepker), nach weiteren 7 Jahren als Schulze oder als Pförtner, ein Mädchen mit 14 Jahren als Kuhmädchen, mit dem 21. Jahre und weiterhin als Magd. Wurde der Zwangsdienst nicht in natura verlangt, so mußte für den Dienst eines Schweinehirten 1 ½ Reichstaler, eines Kuhmädchens 1 Reichstaler, eines Mittelknechts 8 Reichstaler, eines Schulzen 9 Reichstaler, einer Magd 2 Reichstaler gezahlt werden. An einigen Orten mußten die Eigenhörigen gegen Bezahlung des Dienstlohnes, welchen sie bei anderen verdienen konnten, beim Gutsherrn in weiterem Dienst verbleiben. Die osnabrückschen herrschaftlichen Eigenhörigen zahlten, wenn der Dienst in natura nicht geleistet wurde, für den männlichen Dienst 2 ½ Reichstaler, für den weiblichen Dienst 1 ½ Reichstaler an die Landesherrschaft. Die annähernd gleiche Summe zahlten auch die münsterschen herrschaftlichen Eigenhörigen.

     
             
        b.

    Das Recht des Leibherrn auf den Freikauf eines im Leibeigentum geborenen Kindes, welches aus demselben heraustreten wollte. Dieser Freikauf mußte immer stattfinden, wenn das Kind, z. B. bei der Heirat, in das Leibeigentum eines anderen eintreten wollte oder mußte. Die Summe für den Freibrief war verschieden hoch, je nach der Zahl der vorhandenen Kinder, der Größe des Kolonats, größer für einen Sohn als für eine Tochter. Für einen einzigen freizukaufenden Sohn konnte die Summe 40-50 Reichtaler, für eine Tochter 20-25 Reichstaler, für das Kind eines Kötters 4-5 Reichstaler betragen. Der Schreiber des Freibriefes erhielt gewöhnlich 1 Reichstaler, der Gutsherr für das Unterschreiben und Versiegeln 2 Reichstaler. Wenn ein Freier durch Heirat auf eine eigenhörige Stelle sich zu eigen gab, gab der Gutsherr wohl aus Gnaden einem der Kinder die Freiheit. Wer sonst die Freiheit seines Halses erlangen wollte, mußte außer dem Freikaufgelde auch noch einen anderen Leibeigenen als Stellvertreter schaffen. Man nannte dies den Wiederwechsel oder im Amte Vechta den Wedder-Ahm. Die Vechtaer Burgmänner in Vechta waren unter sich und mit dem Amtsdrosten zum Wechsel der Personen ihrer Eigenhörigen verpflichtet.

     
        c.

    Das Bindikationsrecht des Leibherrn. Gewöhnlich war einem Freibriefe die Klausel hinzugefügt, daß, wenn der Freigelassene seinen Verpflichtungen nicht nachkomme oder an dem ehemaligen Gutsherrn und dessen Angehörigen sich vergreifen sollte, letzterer ihn in sein voriges Verhältnis zurückfordern, ihn vindizieren könne.

     
        d.

    Das Strafrecht des Leibherrn, das Recht, über den Leibeigenen, wenn er nicht gutwillig gehorchen wollte, Geldstrafen zu verhängen, ja ihn körperlich zu züchtigen. 1700 wurde auf dem münsterschen Landtage beschlossen, daß ein Eigenhöriger, der eine Eiche oder Buche ohne Erlaubnis des Gutsherrn schlage und verkaufe, dem Gutsherrn 10 Goldgulden und er Käufer dem Fiskus ebenfalls 10 Goldgulden zur Strafe zahlen sollte. . Wenn ferner ein Eigenhöriger sich wider seinen Gutsherrn tätlich vergreifen oder sich unbotmäßig zeigen sollte, konnte dieser ihn in einen Spanischen Mantel oder in ein Halseisenband oder in einen Turm schließen lassen. Doch durfte diese Strafe nicht länger als 3 Tage dauern. Wenn der Leibeigene sich auch dann noch nicht fügen wollte, wurde er der staatlichen Obrigkeit übergeben. Auch wurden wohl Leibeigene zur Strafe zu Soldaten gemacht. Nach osnabrückschem Rechte konnte der Gutsherr den säumigen Kolonen wegen nicht geleisteter Pacht pfänden, den widerspenstigen 2 mal 24 Stunden bei Wasser und Brot einsperren lassen.

     
        e.

    Das Recht des Leibherrn auf die Erziehung und die Berufsbestimmung der Kinder des Leibeigenen.

     
        f.

    Der Sterbefall (mortuarium), das Recht des Gutsherrn auf das hinterlassene Privatvermögen des im Leibeigentum gestorbenen Eigenhörigen nach dem Grundsatze: Quidquid servus acquirit, non sibi, sed suo domino acquirit. Wenn der Sohn das Erbe seines Vaters antreten wollte, mußte er vorher den Nachlaß seiner Eltern an beweglichen Gütern (Getreide, Vieh, Geräte, ec.) dingen und eine gewisse Summe dafür geben. Konnten Gutsherr und Eigenhöriger sich hierüber nicht einigen, so konnte Ersterer den ganzen Nachlaß an sich ziehen. Doch gewöhnlich geschah dies nicht. Beim Todesfall eines der alten Wehrfester hatte der Gutsherr nur Anspruch auf den halben Nachlaß. Meistens wurde bei der Abschätzung nicht zu scharf verfahren, da der Gutsherr ja ein Interesse daran hatte, daß die Stelle in gutem Stande blieb. Beim Tode des letzten der Wehrfester konnte der Gutsherr den ganzen Nachlaß an beweglichen Gütern einziehen; aber gewöhnlich wurde, wenn ein Kind erbte, eine billige Abschätzung vorgenommen. Außerdem mußten auch noch Sterbebettgelder gezahlt werden, da das Bett, auf dem der Leibeigene starb, dem Gutsherrn zukam.

     
        g.

    Die Verpflichtung des Leibeigenen und seiner Familie, zur Heirat die Erlaubnis des Gutsherrn einzuholen und zugleich eine Abgabe dafür zu entrichten. Für gewöhnlich bewilligte der Gutsherr nur eine eheliche Verbindung unter seinen Leibeigenen. Doch für einen Stellvertreter oder unter der Bedingung, daß eins der Kinder ihm leibeigen werde, gestattete er wohl für besonderes Entlassungsgeld die Heirat mit Freien oder Leibeigenen anderer Gutsherrn. Ein solches die Stelle eines seiner Eltern vertretende Kind wurde selbst der Wiederwechsel genannt.

     
        h.

    Einschränkung des Erwerbs- und Verfügungsrechtes unter Lebenden und auf den Sterbefall, selbst in bezug auf das mit dem Hofe nicht verbundene Allodium. Der Eigenhörige durfte ohne des Gutsherrn Wissen über unbewegliche Güter keine Verträge schließen. Er durfte nur mit Genehmigung des Gutsherrn Anleihen machen; Brautschätze durften nur mit Genehmigung des Gutsherrn unter Nachweis des Vermögens ausgelobt werden, und es stand dem Eigenhörigen nur eine Beschwerde bei dem ordentlichen Richter darüber zu.

     
           
       

    Aus dem Kolonatsverhältnis d. h. aus dem Besitze des in Erbnießbrauch gegebenen Gutes ergeben sich folgende Pflichten und Rechte:

     
        a.

    Die Gewinnpflicht beim Antritt des Erbes. Wenn der Anerbe nach dem Abstand oder dem Tode seiner Eltern die Stelle antrat, mußte er diese "gewinnen", das Gewinngeld (laudemium) zahlen, und wenn er durch Heirat eine fremde Person auf die Stelle brachte, die "Auffahrt" entrichten. Dazu kamen noch Nebengebühren: Weinkauf, ein Handgeld für den Abschluß des Gewinnkontraktes, ferner Schreibgebühren, Nadelgeld usw. Im Osnabrückschen kannte man keinen Gewinn, sondern nur eine Auffahrt für die auf die Stelle heiratende Person. Die Gewinn- und Auffahrtsumme wurde meistens nach dem Herkommen vereinbart. Es wurde bei der Feststellung auf die früher gezahlten Gewinngelder, auf die Größe und Schulden des Kolonats, auf die Zahl der auszusteuernden Kinder Rücksicht genommen. Die Gewinnsumme schwankte bei mittelgroßen Höfen zwischen 50 bis 150 Reichstaler; aber auch hier war der Willkür der Gutsherrn großer Spielraum gelassen. Die Gewinnsumme wurde bedeutend erhöht, wenn nach dem Aussterben des Geblüts die Stelle dem Gutsherrn anheimfiel und von diesem einer fremden, nicht erbberechtigten Person ex nova gratia übergeben wurde. In oldenburgischer Zeit wurden nach einer Verfügung vom 10. Januar 1811 zur Bestimmung des Gewinns die Herrschaftlichen Stellen taxiert. Sämtliche Immobilien wurden abgeschätzt und die jährlichen Einkünfte mit 3 % zum Kapitalwert in Rechnung gezogen. Von der sich ergebenden Summe wurden die zu Gelde gerechneten und zu 3 % kapitalisierten Lasten und Abgaben und die Zinsen der von der Gutsherrschaft bewilligten Schulden abgerechnet. Der alsdann bleibende Überschuß wurde als reiner Kapitalwert der Stelle angesehen, 2 % des reinen Kapitalwertes wurde als Gewinnsumme und die Hälfte der Gewinnsumme als Auffahrtsumme betrachtet. Die hannoversche Regierung verfügte am 17. Juni 1819, daß der jährlich rein überschüssige Ertrag 3 ½ mal genommen zur Auffahrtsume bestimmt werden sollte.

     
         

    Wenn der eine Eheteil zur 2. Ehe schritt, so wurde, wenn aus 1. Ehe ein Anerbe oder eine Anerbin vorhanden war, die aufheiratende Person nur auf eine bestimmte Anzahl von Jahren, auf Mahljahre, zugelassen, gewöhnlich bis zur Großjährigkeit des Anerben bzw. der Anerbin, dem 24. Lebensjahre, aus besonderen Gründen bis zum 30. Lebensjahre. Die für die Mahljahre zu zahlende Auffahrtsumme wurde nach der vollen Auffahrt berechnet, so daß für 20 Mahljahre 2/3, für 15 Jahre ½, für 10 Jahre und darunter 1/3 der vollen Auffahrt gezahlt wurde. Nach Ablauf der festgesetzten Mahljahre mußten die Alten in die Leibzucht (Altenteil) ziehen und dem Anerben die Stelle überlassen. Zu letzterem konnten die alten Wehrfester nicht gezwungen werden, wenn sie wie in erster Ehe die Stelle auf Lebenszeit gewonnen hatten. Mit dem unbeschränkten Gewinn erhielt der Anerbe das Recht, für die Zeit seines Lebens die Stelle nach seinem Gutdünken zu bewirtschaften, von den Erträgen derselben zu leben und seine Kinder auszusteuern, ferner bei seinem Abgange einem seiner Kinder die Stelle zu überlassen, endlich Anspruch auf die Leibzucht. Er durfte aber vom Hof nichts veräußern, verpfänden oder verheuern, ihn nicht mit Schulden beschweren und keine wesentllichen Veränderungen mit ihm vornehmen. Waren aus der Mark, worin der Hof lag, Grundstücke erworben, so blieben sie beim Hofe. Hatte dagegen der Eigenhörige fremden Grund, worauf der Gutsherr kein Anrecht hatte, hinzuerworben, so konnte dieser zu Lebzeiten des Erwerbers wieder veräußert werden; nach dessen Tode wurde er Pertinenz der Stelle. Das nächste Anerbenrecht hatte im münsterschen Amt Vechta der älteste Sohn erster Ehe, oder, wenn keine Söhne vorhanden waren, die älteste Tochter erster Ehe. Im Osnabrückschen dagegen war bei eigenhörigen Stellen der jüngste Sohn bzw. die jüngste Tochter Anerbe, frei freien Stellen der älteste Sohn bzw. die älteste Tochter. Kinder zweiter Ehe hatten bei eigenhörigen Stellen nur dann Erbrecht, wenn die Eltern unbeschränkt, d. h., nicht bloß auf Mahljahre die Stelle gewonnen hatten.

     
      b.

    Die glebae adscripto (die Hörigkeit). Eigenhörige Kolonen waren an der Stelle, dem Erbe, bebunden und konnten mit demselben verkauft und veräußert werden.

     
        c.

    Die Verpflichtung der Anerben, zur Heirat die Genehmigung des Gutsherrn einzuholen. Letzterer wollte sich davon überzeugen, daß nur eine zur Wirtschaft taugliche Person auf das Erbe gebracht wurde. Heiratete der Anerbe ohne Genehmigung des Gutsherrn, so konnte er von der Stelle entfernt werden.

     
        d.

    Der Heimfall. Wenn die Familie des Wehrfesters ausstarb, fiel die Stelle dem Gutsherrn anheim, d. h., sie wurde wieder dessen freies Eigentum. Nach der münsterschen Eigentumsordnung waren, wenn eigenhörige Eheleute, die das Erbe gewonnen hatte, ohne Hinterlassung ehelicher Leibeserben gestorben waren, des versotrbenen Anerben Brüder und Schwester zur Erbfolge die nächsten. Hatten diese sich durch den Freibrief freigekauft, so galten sie als fremde Personen und waren des Erbrechts verlustig. Der Gutsherr konnte jedoch eine heimgefallene Stelle, der neben den gutsherrlichen Lasten und Pflichten auch solche gegenüber dem Staate, der Bauerschaft, der Gemeinde und der Kirche anklebten, nicht einziehen, sondern mußte sie mit einem neuen Kolonen besetzen. Aus demselben Grunde durften auch keine Ländereien davon veräußert und der Eigenhörige vom Gutsherrn mit keinen neuen Abgaben beschwert werden. Letzterer hatte bei der Neubesetzung nur ein größeres Gewinngeld zu beanspruchen.

     
        e.

    Das gutsherrliche Recht der Abäußerung (Abmeierung, Utterung, Destitution). Der zum unbeschränkten Gewinn einer Stelle zugelassene Wehrfester konnte vom Gutsherrn ohne gerichtliches Erkenntnis von der Stelle nicht entfernt werden. Auf Entfernung wurde neben anderen Gründen vornehmlich erkannt, wenn der Wehrfester, obwohl gewarnt, wegen schlechter Wirtschaft die Stelle in Schulden brachte oder die gutsherrlichen Gefälle seit einer bestimmten Zeit (in 3 Jahren) nicht prästierte oder die schuldigen Dienste, obwohl angefordert, nicht leistete oder ohne Genehmigung eine fremde Person auf das Erbe brachte, bevor sich diese gehörig qualifiziert hatte.

     
        f.

    Das Mitbenutzungsrecht des Gutsherrn hinsichtlich des auf der Stelle befindlichen Holzes. Buchen- und Eichenholz gehörte zum Erbe und konnte ohne besondere Erlaubnis des Gutsherrn vom eigenhörigen nicht gefällt werden. Auf unerlaubtes Holzfällen stand eine hohe Strafe. Erlaubnis zum Holzfällen wurde erteilt, wenn Neubauten oder Reparaturen auf dem Hofe erforderlich waren. Der Eigenhörige mußte sich dann verpflichten, an der abgeholzten Stelle eine bestimmte Anzahl von Pflänzlingen wieder zum Anwachsen zu bringen. Das durch Sturm umgerissene Holz beanspruchte der Gutsherr meistens ganz für sich, nur die Äste und Zweige gehörten dem Eigenhörigen. Dieser konnte auch das Unterholz als sogenanntes Schlagholz nach seinem Gutdünken benutzen. Ebenso gehörte die Mastung im Amte Vechta dem Eigenhörigen ganz, während sie im Oberstift zwischen Gutsherrn und Eigenhörigen geteilt war. Eine Ausnahme bildeten die 3 herrschaftlichen Höfe auf dem Hagen bei Vechta, wo die Beamten in Vechta die Mastung hatten. Ein Versuch der münsterschen Hofkammer im Jahre 1749, die herrschaftlichen Kolonen des Amtes Vechta zur Errichtung der halben Mastung heranzuziehen, scheiterte an dem energischen Widerspruch der Betroffenen).*1)

     
        g.

    Jährliche Prästation einer vereinbarten Pacht (Naturalien, Dienste, Geld). Ursprünglich bestanden alle Abgaben in Naturalien. Als in der Zeit vom 11. Bis 14. Jahrhundert allmählich die Geldwirtschaft aufkam, wurden die Abgaben immer mehr in Geld statt in Naturalien geliefert. In einigen Gegenden gab es feste Redemitionspreise, die auch blieben, als das Geld bereits an Wert verloren hatte; in anderen Gegenden wurden die Preise für die Naturalien jedes Jahr von neuem festgesetzt. Im Kirchspiel Twistringen zahlten die herrschaftlichen Bauern seit alters für ein fettes Schwein 4 eichstaler, für ein Mairind 2 Reichstaler 30 Grote, in den anderen Kirchspielen des Amtes dagegen für ein fettes Schwein 6 Reichstaler, für ein Mairind 2 Reichstaler 22 Grote. Im Amte Cloppenburg hingegen wurden die Preise jedes Jahr nach dem Ortspreise festgesetzt. Als im Jahre 1773 die münstersche Hofkammer für die herrschaftlich gutspflichtigen Bauern im Amte Vechta verfügte, daß die Naturalien entweder für einen höheren Preis redimiert oder in natura geliefert werden sollten, kam es zu einem Prozeß zwischen der Kammer und den Twistringern, den letztere gewannen, da sie sich auf Verjährung berufen konnten.

     
             
       

    Die meisten Eigenhörigen waren ihrem Gutsherrn zu Hand- und Spanndiensten verpflichtet, Inhaber kleinerer Stellen, wie Kötter meistens nur zu Handdiensten. Der Spanndienstpflichtige brauchte nicht länger mit dem Gespanne zu dienen, als das er mit Sonnenaufgang vom Hause abfuhr und mit Sonnenuntergang wieder zu Hause war, was in den langen Sommertagen von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends, in den Wintermonaten von 8 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags zu verstehen war. Einige erhielten auch, wenn sie den Spanndienst verrichteten, Beköstigung, andere dafür Geld. Vielfach zahlten die Verpflichteten für die zu leistenden Spanndienste Geld; jedoch behielt sich der Gutsherr gewöhnlich das Recht vor, den Dienst in natura verlangen zu können. Im Laufe der Zeit aber schützte das Dienstgeld nicht mehr vor der Dienstleistung in natura, und die Eigenhörigen mußten neben dem Dienstgelde auch Naturaldienste leisten. Wie sehr die Spanndienstpflichten bei den herrschaftlichen Bauern gesteigert wurden, zeigt ein Vergleich der Amtsumschreibungsprotokolle von 1590 mit denen von 1743 und 1777. Um 1600 hat man auch die Freien zu Dienstleistungen am Amthause Vechta herangezogen. Im letzten Jahrhunderte münsterscher Zeit kam noch der lästige Torfdienst für die Beamten hinzu (je 900 Ringe Torf graben, trocknen und einfahren). Einige Bauern hatten diesen Dienst für den Amtsdrosten, andere für den Amtsrentmeister und Amtsschreiber zu besorgen. Außer den sogenannten kurzen Spanndiensten waren die meisten Eigenhörigen verpflichtet zu jährlich einer oder zu zwei langen Fuhren (nach Osnabrück, Oldenburg, Bremen, Münster). Die Münsterfuhren der herrschaftlichen Bauern datieren vom Jahr 1588, wo die Fuhren mit Fastenwaren zur Hofküche aufkamen. Kleineren und auch größeren Stellen an günstig gelegenen Plätzen klebte die Pflicht an, die Briefe der Beamten zu besorgen.*2)

     
       

    Die dem Gutsherrn zu leistenden Dienste standen vielfach nicht in Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Stellen. Das veranlaßte nicht selten die Bauern, heimlich Haus und Hof zu verlassen, um im freien Holland oder Ostfriesland eine neue Heimat zu suchen oder im Auslande Kriegsdienste zu nehmen. Die Gutsherrn suchten dagegen in ihrem Interesse die Kolonen auf den Stellen zu halten, führten genau Register über die Familien und die Zahl der Kinder und verfolgten die Flüchtlinge selbst im Auslande. Im übrigen war die Lage der Leibeigenen nach den jeweiligen Zeitverhältnissen, nach Gegenden, namentlich nach den Gesinnungen des Gutsherrn eine ganz verschiedenartige, eine bald mehr, bald weniger drückende.

     
       

    Eine bevorzugte Klasse von Eigenhörigen waren die sogenannten Hausgenossen. Die Entstehung des Hausgenoosenrechtes hängt zusammen mit dem Aufkommen der Hofesverfassung im 12. Jahrhundert. Entfernt liegende Höfe wurden vom Grundherrn einem größeren Hofe unterstellt, an den sie ihre Pacht zu entrichten hatten und mit dem sie im Laufe der Zeit eine eigene Genossenschaft bildeten. Die Mitglieder, die sogenannten Hausgenossen, kamen an einem oder an mehreren bestimmten Tagen des Jahres auf dem Haupthofe zusammen, um die Sterbfälle und Auffahrten neuer Hofbesitzer zu ordnen, Händel der Genossen zu schlichten und durch Frage und Antwort ihr eigenes Privatrecht, besonders in Erbfällen, unter Bestätigung des Hofesherrn zu bestimmen. Ihre Rechte wurden schon früh in Hofrollen aufgezeichnet und an den Versammlungstagen vorgelesen. Wir finden Hausgenossen sowohl im münsterschen als auch im osnabrückschen Teile des Amtsdistrikts Vechta. Die münstersch-vechtaschen Hausgenossen hatten ihren Versammlungsort auf dem Hofe Bröringmeyer in Lohne. Ihre Zahl war 22, von den 20 herrschaftlich eigenhörig waren, 2 an die Pfarre Lohne gehörten. Die herrschaftlichen Hausgenossen waren: Bröringmeyer, Küstermeyer, gr. Sieverding, gr. Brüning (Brokdorf), Strothmann (Schellohne), Gerke, Hinners und Kol_ehof in Nordlohne, Bartels Krimpenfort, Herms zum Brägel, gr. Fortmann, Pölking und Henke in Südlohne, gr. Holthaus und Pille im Kirchspiel Steinfeld, Meyer in Osterfeine, Bowing in Osterdamme, Schulte in Langwege, Ording in Märschendorf, Wichmann in Oythe. Die an die Pfarre Lohne eigenhörigen Hausgenossen waren Ruwe und Bergmann in Schemde (Kirchspiel Steinfeld). Am 2. Pfingsttage kamen diese jährlich auf dem Hofe Bröringmeyer zusammen und hielten daselbst ihre Versammlung. Sie lieferten jeder 1 Schaf. Eins von den gelieferten Schafen erhielt der Hausvogt, der gewöhnlich für den Amtsrentmeister den Vorsitz führte, ein anderes der Zeller Bröringmeyer, der dafür die Hausgenossen mit einem Schinken traktieren mußte.

     
       

    Die Mitglieder der Genossenschaft genossen die Freiheit, daß beim Sterbfall nur die vierfüßigen Tiere aufgeschrieben und nach dem Anschlage bezahlt wurden. Auch waren noch das beste Pferd, die beste Kuh und ein Stier frei. Die übrigen Mobilien wurden nicht aufgeschrieben und kamen nicht in Anschlag. Beim Überfall durch die oldenburgischen Grafen im Jahre 1538 ging die Rolle, in welcher die besonderen Freiheiten der Hausgenossen aufgezeichnet waren, verloren. Der Drost Johann von Dinklage ließ sie im Jahre 1572 wieder erneuern. Im Jahre 1719 beschwerten sich die Hausgenossen bei der Regierung, daß sie bei dem Sterbfall auch Sterbbettgelder zahlen sollten, ferner, daß, nachdem sie bei dem ersten Sterbfall das halbe Gut an vierfüßigen Tieren gekauft hätten, bei dem zweiten Versterb, wenn die Stelle auf die Kinder vererbt würde, das ganze Gut wiedergekauft werden sollte. In dem ersten Punkte erhielten sie Recht. Inbezug auf den zweiten Punkt wurden sie abgewiesen.

     
       

    Die osnabrückschen Hausgenossen des Kirchspiels Damme, unter denen die 4 Redemeier Meyer-Holzgräfe, Meyer-Bokern, Meyer-Holte und Grever-Ihlendorf eine bevorzugte Stellung eingenommen zu hben scheinen, hatten das Vorrecht, daß der Sterbfall nur den vierten Teil von allem auf dem Hofe befindlichen Vieh betraf, wovon dann noch wieder gewisse zur Hofgewehr gehörende Stücke und die Hälfte der Schafe abgingen. Die dem Sterbfall verfallenen Stücke konnten nach einem geringen Preise wieder eingelöst werden. Außer den schon genannten 4 Redemeiern gab es 1817 folgende osnabrücksche herrschaftliche Hausgenossen: Meyer-Nordlohne, Albert Broermann (bei der Hake), Sieverding, Mackeliening, Berting, Ronnebaum, Auf der Tange, Wilke-Hinnenkamp, Gramke-Fladderlohausen, Johann zu Amtern, Moormann zu Amtern, Gers zu Wenstrup und Gründing-Rellinghoff. Die Redemeier waren zu gewissen außerordentlichen Diensten verpflichtet, sie mußten den Bischof, so oft er ins Amt kam, fahren, dagegen wollten sie nicht zu ungemessenem Spanndienst verpflichtet sein. Bei den Ablösungsverhandlungen mit der oldenburgischen Kammer drangen sie jedoch nicht damit durch. Wesentlich anderer Art als die osnabrückschen Redemeier waren die lüneburgischen Reitmeier (gr. Feldhaus, Westerhoff und Bredemeyer im Kirchspiel Goldenstedt). Sie waren zur Aufnahme der landesherrlichen Jagd verpflichtet.

     
         
     

    *1) Anmerkung: Im Jahre 1775 verordnete die münstersche Regierung, daß auf den herrschaftlichen Höfen ein Eichen- oder Telgenkamp angelegt, mit Eicheln von der besten Sorte besäet und und vor jeder Beschädigung durch das Vieh beschützt werden sollte. 1805 erließ die oldenburgische Regierung ein Regulativ, wie bei Anweisungen des Holzes auf herrschaftlichen Höfen verfahren werden sollte behufs Reparation der Gebäude oder sonstiger Bedürfnisse. Unter anderem heißt es: Ein jeder Zeller oder Erbpächter, dem Holz angewiesen wird, muß nach Ablauf des 3. Jahres, von der Zeit der Anweisung an gerechnet, durch ein Attest des reitenden Försters dokumentieren, daß er an die Stelle des gehauenen Holzes wiederum gehörig und wenigstens 4 Heister (Telgen) für jeden gehauenen Stamme auf den Gründen des Hofes angepflanzt und in gutes Wachstum gebracht habe. 1807 wurde das Plaggenmähen in den geschlossenen Hölzern gänzlich untersagt, unter den zerstreut stehenden Bäumen bis auf eine Entfernung von 12 Fuß von dem Stamme gestattet.

     
     

    *2) Anmerkung: Ein Gegenstand des Streites war die Frage, ob Eigenhörige auch nach einem entfernteren Gute Dienste zu leisten verpflichtet seien. Im Jahre 1744 ließ Herr von Freitag dem großen Arkenau 2 Pferde und einen Wagen pfänden, weil Arkenau als früher nach Vehr gehörig sich weigerte, seine Pflichten und Dienste nach Daren zu leisten. Arkenau klagte, und als der Richter zu Essen den 5. Juni 1744 auf dem Hause Lage die Pfandstücke verkaufen wollte, erhielt er ein Inhibitorium; 1750 war die Sache noch nicht beigelegt. Als in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts Herr von Hammerstein die zum Hause Diek eingehörigen Bauern zwingen wollte, ihre Pflichten nach Lorten zu leisten, weigerten sich diese, und es kam zur Klage, worin Hammerstein siegte.

     

     

    Home Nach oben Weiter

    Nachricht senden   Fragen, Anregung, Kritik?   Nachricht senden

     

    Copyright © 1998-2007 by SOFT+SERV Dienstleistungen
    Alle Rechte vorbehalten
    Stand: 06. März 2009