Jahrbücher
Oldenburger Münsterland

 

Kommentar von: Martin Feltes Interne Nr.: 0049-03
 
 
Der SiIhouetteur Caspar Dilly
 
  „Eine der besten Ausstellungen des Museumsdorfes“ – so bewertete gesprächsweise Dr. Uwe Meiners eine Ausstellung des Niedersächsischen Freilichtmuseums, die im Jahre 1984 das Leben und Wirken des „Silhouetteurs und Mahlers“ Caspar Dilly präsentierte. Der begleitende Katalog unter der Überschrift „Lebensbilder aus dem ländlichen Biedermeier“ wurde von Prof. Dr. Helmut Ottenjann verfaßt. Die positive Resonanz dieses Buches erforderte 1989 das Erscheinen einer zweiten Auflage, was Helmut Ottenjann jedoch nicht zum Ausruhen auf verdienten Lorbeeren veranlaßte. Der ehemalige Direktor des Cloppenburger Museumsdorfes sah - auch als „Pensionär“ - Handlungsbedarf für weitere Forschungen über das Leben und Wirken Caspar Dillys, deren Ergebnisse nun in einem beeindruckenden Buch zusammengefaßt wurden. Das repräsentative Werk ist in der „Bauen Reihe“ des Heimatbundes für das Oldenburger Münsterland erschienen.  
  Überzeugte schon der Ausstellungskatalog von 1984 durch informative Texte und ein gutes Abbildungsmaterial, so finden diese Qualitätsmerkmale in der dritten Auflage eine nochmalige Steigerung. Neue Forschungsergebnisse fließen ebenso ein wie zahlreiche Abbildungen, die das geschriebene Wort ergänzen und belegen. Übersichtlich und hilfreich sind die eingefügten Grafiken. Besonders muß auch auf die herausragende Farbqualität der 41 Bildtafeln hingewiesen werden, mit denen das erhaltene Werk Caspar Dillys chronologisch zusammengefaßt wurde. Ausführliche Bilderläuterungen begleiten diesen BestandskataIog, wobei die bewußte Gegenüberstellung von Text und Bild das direkte „Nachprüfen“ des Gelesenen am Bild ermöglicht. Und in der ausführlichen Beschreibung wird deutlich: Die DilIy-Silhouetten sind einzigartige Dokumente und ein unschätzbares Quellenmaterial für die Kleidungs- und Wohnkultur ländlicher Bevölkerungsschichten der Weser-Ems-Region in der Zeit von 1805-1841.  
  „Familienbilder der Landbevölkerung im westlichen Niedersachen“ ist auch der Untertitel dieses Buches, das mit einer Biographie des „Silhouerteurs und Mahlers“ Caspar Dilly beginnt. Caspar Dilly wurde 1767 in Bonn geboren, und er starb am 10.10.1841 in Bangstede bei Aurich. Fester Wohnsitz des Künstlers war der Ort Hollrah bei Winkum im Kirchspiel Löningen - die Heimat seiner Frau Anna Margaretha Hollrah, die er am 2.12.1815 in Essen i.O. heiratete. Durch intensive Forschungen in den Kirchenbüchern konnten diese Daten ebenso wie die weitere Genealogie der Dilly-Familie rekonstruiert werden. Übersichtlich sind die familiären Verbindungen in einer Graphik zusammengesteIlt. Interessante Ergänzungen bilden die Anmerkungen über das kulturelle und gesellschaftliche Leben in dem der junge Caspar aufgewachsen ist.  
  Doch Jugendzeit und Ausbildung Caspar Dillys bleiben vorerst noch völlig im Dunkeln, und erst im Jahre 1805 kann ein erstes Auftauchen seiner künstlerischen Aktivitäten nachgewiesen werden. In einer topographischen Grafik sind die Auftragsorte und -daten des Silhouetteurs aufgelistet. Hier wird deutlich: Auf der Suche nach Kundschaft war Caspar Dilly zur Wanderschaft gezwungen, wobei das Artland und Ostfriesland die eindeutigen Kernräume seines künstlerischen Schaffens waren. Im Medium des Scherenschnitts ließen sich vor allem Familien in ihrer heimatlichen Umgebung „ablichten“.  
  Die Geschichte der Silhouette, die ihren Höhepunkt von 1750 bis zur Erfindung der Fotografie feierte, kann in dem vorliegenden Buch ebenso nachgelesen werden, wie über ihre technischen Besonderheiten, wobei besonders die raffinierte und originelle Vorgehensweise Caspar Dillys aufgezeigt wird.  
  Dillys besondere Manier und persönliche Handschrift wird noch deutlicher ablesbar durch die Gegenüberstellung seiner Arbeiten mit den Scherenschnittbildern des Silhouetteurs Ferdinand Trümpelmann. Seinem künstlerischen Engagement in der Weser-Ems-Region, das für die Zeit um 1804/05 nachweisbar ist, hat Prof. Dr. Helmut Ottenjann ein gesondertes Kapitel gewidmet. Trümpelmanns Scherenschnitte bilden ein wichtiges Ergänzungsmaterial zu den Arbeiten Dillys, da Trümpelmann als zeitlicher Vorläufer Dillys die Sonntagsgarderobe bürgerlicher und bäuerlicher Schichten vor Beginn der französischen „Fremdherrschaft“ dokumentierte.  
  „Sonntagskleidung“ ist nun das Stichwort, um auf einen weiteren volkskundlichen Aspekt des Mediums der Silhouette hinzuweisen. Denn natürlich in Sonntagsgarderobe ließ sich das Publikum sowohl von Dilly als auch von Trümpelmann silhouettieren, womit diese Scherenschnittbilder nicht nur über die Bau- und Möbelkultur sondern auch über die Sonntagskleidung und die Kleiderordnungen der Region Auskunft geben. Unter dieser Überschrift wird im letzten Kapitel des Buches eine ausführliche Auswertung der Scherenschnitte vorgenommen und die Sonntagskleidung der ländlichen Bevölkerungsschichten der Weser-Ems-Region rekonstruiert, wobei die regionalen Besonder- und Eigenarten herausgearbeitet werden. Begleitendes Bildmaterial mit Abbildungen von Kleidern, Anzügen und Kopfbedeckungen aus jener Zeit unterstützt anschaulich diese differenzierte Untersuchung.  
  Prof. Dr. Helmut Ottenjann hat mit diesem Buch ein Werk vorgelegt, das die wissenschaftliche Neugier und den detektivischen Spürsinn des Autors dokumentiert. Neben der Veröffentlichung neuer Forschungsergebnisse machen die klare Gliederung, der flüssige Sprachstil sowie das reichhaltige und sorgfältig ausgesuchte Bildmaterial dieses Werk lesenswert. Das Buch, an dessen Erstellung auch Mitglieder der Ottenjann-Familie unterstützend mitwirkten, hat 169 Seiten, 100 Abbildungen sowie 41 Farbtafeln, deren Betrachtung für den interessierten Leser ein besonderes Vergnügen sein mag.  

 

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Stand: 06. März 2009