Jahrbücher
Oldenburger Münsterland

 

Kommentar von: Franz Bölsker-Schlicht Interne Nr.: 9443-04

 

 
Ein Hundeleben: Von Bauernhunden und Karrenkötern
Zur Alltagsgeschichte einer geliebten und geschundenen Kreatur
 
  Der Hund erfreut sieh in heutiger Zeit recht großer Beliebtheit als Hausgenosse des Menschen. Kinder schätzen ihn als Spielgefährten, und von manchen Erwachsenen wird ihr vierbeiniger Liebling geradezu gehätschelt und gepflegt wie ein Kind. Nur schwer ist die Grenze zu ziehen zur "professionellen" Hundeliebhaberei bei Hundezüchtern, die ihre dressierten und trainierten Schützlinge in sportlichen Wettbewerben gegeneinander antreten lassen, und Jägern, denen ihr Hund unentbehrlicher Gefährte und Helfer bei der Jagd ist.  
  Das ist, wie durch vielfältige Überlieferung in Schrift und Bild hinlänglich bekannt ist, auch in früheren Jahrhunderten nicht anders gewesen, allerdings was oft übersehen wird - im wesentlichen nur bei der dünnen adeligen Oberschicht, aus deren Lebenswelt der Spiel-, Schoß-, Jagd- und Rassehund nicht wegzudenken ist.  
  Weniger bekannt ist hingegen das "Hundeleben" bei der hauptsächlich bäuerlichen Bevölkerungsmehrheit der vorindustriellen Zeit. Hermann Kaiser ist in dem vorliegenden Buch dem Schicksal der ,,hündischen Unterschichten" nachgegangen, wobei er sich zeitlich im wesentlichen auf das 18. und 19. Jahrhundert und räumlich auf den Weser-Ems-Raum mit dem Schwerpunkt Oldenburg beschränkt. Ins Auge fällt der große Gegensatz zu den Rasse- und Jagdhunden des Adels, der sich geradezu als frappierendes Abbild der unterschiedlichen Schichtzugehörigkeit der Besitzer erweist.  
  Kaiser beschreibt zahlreiche Aspekte des bäuerlich-proletarischen Hundelebens, deren Schilderung dem unkundigen Leser (zu denen bis zur Lektüre des Buches auch der Verfasser dieser Zeilen zählte) zunächst ungläubiges Staunen abnötigt. Hier seien nur einige kurz angeschnitten.  
  Die Nahrung des Bauernhundes war durchweg vegetarisch. Im günstigsten Fall gab man ihm "Hundebrot" auf Roggenbasis, ansonsten lebte er von Speiseabfällen der Menschen, die sich selbst nur vegetarisch und höchst einseitig zu ernähren vermochten. Daher oft hungrig, versuchte er nicht selten, seinen Speisezettel durch selbständiges Beutemachen in Heide und Wald etwas aufzubessern, was ihn in einen Dauerkonflikt mit adeligen und landesfürstlichen Jagdprivilegien brachte. Ebenso wie gegen "Wilderer" unter ihren bäuerlichen Untertanen schritt die Obrigkeit auch gegen das Wildern von Bauernhunden mit drastischen Mitteln ein. Bäuerliche Hundebesitzer wurden per Verordnung vor die Wahl gestellt, ihren Vierbeinern entweder einen langen und schweren Knüppel ("Büngel") um den Hals zu hängen, der sie im Laufen behinderte, oder ihnen eine Pfote abzuhacken. Umgekehrt wurden Bauernhunde bei fürstlichen Jagden "dienstverpflichtet", und Bauern sahen sich nicht selten genötigt, die Jagdhunde ihres fürstlichen oder adeligen Herrn zu verpflegen bzw. ersatzweise sogenannten "Hundehafer" abzuliefern.  
  Ein weites Feld war die Verwendung des Hundes als Arbeitstier. Der Autor beschreibt detailliert, wie Hunde, in Treträder und später auch auf Rollbandgöpel gestellt, vor allem im 19. Jahrhundert als Energielieferanten für mechanische Kraftmaschinen, vor allem zur bäuerlichen Butterherstellung, dienten. Noch weitere Verbreitung fand die Verwendung des Hundes als Zugtier vor Kinderkutschen, häufig auch vor Schiebkarren oder vierrädrigen Karren von Kleinhändlern wurden Hunde gespannt. Zum gewohnten Straßenbild in Stadt und Land gehörten noch in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts von Hunden gezogene Karren, auf denen Milchkannen transportiert wurden.  
  Die packende Darstellung der genannten und manch' anderer Aspekte von und frühindustriellen Hundelebens, die durch zahlreiche Abbildungen gut illustriert ist, machen das Buch zu einer reizvollen und spannenden Lektüre für Historiker ebenso wie für Nicht-Fachleute.  

 

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Stand: 06. März 2009